24.03.2013 LEA W. FREY (D)

Bilder & Eintrag: Axel Fichtmüller

Wie in einer Blase
Magdeburg (Kulturzentrum Moritzhof), 24.03.2013

Liebes Songtagebuch,
zuallererst: verdammt ist das kalt! Auf dem Weg zum Moritzhof huschen dick eingemummte Gestalten wieselflink vor mir über die Straßen auf direktem Weg in Hauseingänge, Kneipen oder Restaurants. Auf einem Balkon zündet sich jemand eine Zigarette an, überlegt es sich nach dem zweiten Zug aber anders und kehrt wieder ins warme Wohnzimmer zurück. An einen eben solchen Ort der Behaglichkeit zieht es auch mich – nämlich zur Hofgalerie im Kulturschutzgebiet am Moritzplatz.

Drinnen angekommen, erschließt sich mir jetzt auch der Begriff Wohnzimmerkonzert. Die kleine Bühne gegenüber dem Eingang mutet an wie die Kulisse eines Theaterstücks: Bilder an den Wänden, Bücher, ein alter Lederkoffer und ein dicker Teppich. Drumherum drapiert sind Verstärker, Effektgeräte, Kabel, Mikrofone und eine große Kiste auf der „On Air“ steht. Zugegeben: recht speziell aber ein stimmiges Ambiente für die bevorstehende musikalische Reise. Als „Geschichtenerzähler“ tituliert der Ankündigungstext Lea W. Frey und ihre beiden Begleiter an den Saiteninstrumenten. Nicht zu Unrecht. Daher sitzen auch alle Reiseteilnehmer erwartungsvoll da – auf Stühlen und auch auf dem Boden – als das Trio aus Berlin die Bühne betritt.

„Die Finger sind noch ein bisschen kalt. Aber wir versuchen, dass es uns allen ganz schnell warm wird. Die Kälte kann draußen bleiben“, die zarte Gestalt von Madame Frey interpretiert die rotwangigen Gesichter des Publikums mit einem Schmunzeln. Ihr Versprechen wird sie halten, denn schon während des ersten Titels (einem John Lennon-Cover) wogt der warme Sound durch die Galerie und hüllt jeden wohlig ein. Alles klingt unfassbar schön. Der gehauchte, aber dennoch kraftvolle Gesang von Lea W. Frey vereinnahmt das Publikum sofort. Es ist ein sanftes aber merkliches Streifen entlang der Ohren in die Brust. Dazu trägt dann noch der erdige Klang des Bassspiels von Bernhard Meyer bei, der rhythmisch jede Silbe der Frontfrau unterlegt und mit diesem Zusammenspiel jene Blase erzeugt, in der jeder Anwesende auf seine eigene Reise geschickt wird.

Musikalisch ist das wirklich ganz hohe Kunst. Was Peter Meyer an der Gitarre arrangiert und anstimmt trifft immer den Kern der gecoverten Stücke, aber es bekommt dennoch einen neuen Charakter und Charme. Leider ist mir nur ein Bruchteil der Lieder bekannt (Bob Dylan – It ain’t me baby, The Buggles – Video killed the radio star, The Cure – A forest, John Lennon – Julia), aber das ist für diese Art von Konzert auch gar nicht so schlimm. Einfach, weil es so homogen zusammenpasst. Teils werden Songs sogar sphärische Anstriche verpasst. Dann taucht Peter Meyer kurz ab, bedient die zu seinen Füßen aufgestellten Effektgeräte und Ambient-Sounds mischen sich unter die warmen Klänge von Bass, Gitarre und Gesang. Durchaus anspruchsvoll aber nie zu verkopft. Obwohl – meinen persönlichen Gänsehautmoment habe ich bei der Interpretation von The Cures „A forest“. Der Ausreißer des Abends, welcher mit seiner progressiven Struktur und der sehr düsteren Entwicklung die warme Atmosphäre in der Galerie kurz herunterdimmt. Ganz großes Kino.

Zur Auflockerung geht dann kurzzeitig auch mal das Deckenlicht an. Ein ungeschickter Ellenbogen, ein empfindlicher Lichtschalter und professionelle Konstanz auf der Bühne lassen die Heiterkeit ganz schnell wieder zurückkehren. Oder um es mit Lea W. Freys Worten zu sagen: „Das Deckenlicht ging bei dem Wort „Heaven“ an. Also hat das sogar gepasst.“ Wohnzimmeratmosphäre eben. Leider sind wir nur zu Besuch und so verklingen die letzten zarten Gesangslinien, der letzte Bass-Ton vibriert durch die Luft und nach einer kleinen Zugabe huscht jeder wieder dick eingepackt in Richtung Zuhause. Es ist jetzt auch irgendwie gar nicht mehr so kalt.