Bilder & Eintrag: Jan Kubon
Magdeburg (Feuerwache), 06.04.2013
Liebes Songtagebuch,
vor fünf Jahren, an einem herrlichen Frühlingstag im März machte ich mich auf den Weg in die Feuerwache.
Vor siebenundzwanzig Jahren, im Jahr 1986, saß ich bei einem Freund in seiner herrlich subversiven Wohnung am Kachelofen und hatte ein Diamantbier in der Hand. Wir hatten uns getroffen, um zu einem Konzert zu gehen. Ein Geheimtipp, die schwärzeste Stimme der DDR wurde in einem Studentenklub angekündigt und die Gerüchteküche spuckte einen Superlativ nach dem anderen über dieses neue Talent in den ostdeutschen Einheitsbrei.
Wir waren damals ganz heiß auf alles, was irgendwie amerikanisch, bluesig oder jazzig, aber eben nicht OldSchool klang. Und diese junge Sängerin sollte so unwahrscheinlich gut sein und ihre Band so professionell und funky, dass selbst die Verantwortlichen des staatlichen Labels Amiga nicht umhin konnten, mit ihr eine Platte zu produzieren – der Name dieser Sängerin war „Pascal von Wroblewsky“.
Mein Kumpel, der irgendwie gute Beziehungen in die Plattenläden hatte, konnte ein Album von ihr ergattern. Das legten wir als Konzertvorbereitung auf, es hieß „Swinging Pool“ und WUSCH! es hat uns umgehauen.
Ja, das war alles andere als ummauerter Jazz, das klang groß, die Produktion weltmännisch und diese Stimme! Die Köche der Gerüchteküche hatten also wahr gesprochen. Wir zogen uns unsere Tramper an, krempelten die Boxerjeans um, warfen uns unsere Filzmäntel über und ließen uns eine Nacht lang von Pascal mit- und gefangen nehmen. Es war heiß, es war stickig und es war funky!
Ich war sofort verliebt, in diesen Sound, in diese Stimme und diese unfassbar sympathische Frohnatur da auf der kleinen Bühne vor mir.
Dann war fast ein viertel Jahrhundert Pause und 2008 eröffnete Pascal von Wroblewsky die 3. Magdeburger Songtage. Wieder: WUSCH!, wieder endlos glücklich.
2013 hatte der Winter die Stadt lange, manche sagen zu lange, im Griff und gerade am ersten Tag, als es irgendwie anfing, nach Frühling zu riechen und tatsächlich die ersten Schneeglöckchen mit der Sturheit der außerwinterlichen Opposition ihre zerbrechlichen Blüten gegen den viel zu kalten, aber Hoffnung verheißenden Frühlingshimmel reckten, da war ich wieder auf dem Weg zu Pascal von Wroblewsky.
Schnell stellt sich heraus, das Haus wird rappelvoll. Hektisch werden noch einige Stühle dazu gestellt. Spannung! Dann betritt die Sängerin mit ihrer Band die Bühne und ist sichtlich beeindruckt vom frenetischen Begrüßungsapplaus.
„Lucky man“ als Opener! Dieses Stück hat sie schon 2008 gespielt. Aber diesmal wirkt es cooler, abgehangener, erwachsener. Das Publikum ist schon bei den ersten Solopassagen der Band begeistert und die Band wird diese Begeisterung über den Abend hinweg immer wieder zurückgeben.
Es geht weiter mit 10 CC´s „I´m not in love“ und „Riders on the storm“ (inklusive eines großartigen Basssolos), dann „Inner city blues“… und so geht es weiter.
Eine Seite nach der anderen ihres „Seventies Songbook“ blättert sie um. Die Songs auf Tonträger eher komprimiert und kompakt, diszipliniert in formatgeeignete Längen gezwängt, bekommen hier nun live den improvisatorischen Freiraum, den sie benötigen.
Aber eins vorweg: Hier werden nicht dem Skalenschutz verpflichtete und von der Jazzpolizei verordnete Solopassagen abgeliefert, hier spielen sich Musiker frei und nehmen sich ihre Freiheit.
Pause!
Mittlerweile verflucht das Publikum die Sitzplätze.
Es groovt, es ist funky (aber nicht zu!), es ist einfach unglaublich, mit wie viel Spielfreude die Band und ihre Sängerin das sonst doch eher reservierte Magdeburger Publikum befeuern.
Der zweite Teil des Sets hält, was der erste versprach.
Es beginnt mit „Move over“ von der großartigen Janis und endet mit „Smoke on the water“. „Black Dog“ von Led Zeppelin rockt unfassbar. „Human nature“ vom King of Pop ist die erste Zugabe und da wird mir wieder klar, was für ein unfassbares Talent Michael Jackson war und was für ein überlebensgroßer Songwriter Paul McCartney ist.
Bob Marley wird geehrt mit einer fulminanten Version seines „I shot the sheriff“. Und dann ganz am Ende des Abends kommen sie dann doch noch bei Eric Clapton an. „Tears in heaven“ geht also auch ganz ohne Schmalz, dafür aber mit Ehrlichkeit und Gefühl. Danke Pascal, auch für diese Erkenntnis! Einem Song, der so sehr Fahrstuhl geworden ist, der soviel Kuschelrock über sich ergehen lassen musste und der so oft an den Lagerfeuern der Republik von untalentierten Gitarristen vergewaltigt wurde, seine Würde wiederzugeben – dafür bin ich dir sehr dankbar!
Was bleibt?
Die Erkenntnisse, dass Pascal eine großartige Sängerin und Jürgen Heckel ein genialer Arrangeur und Gitarrist ist, hatte ich vorher schon. Aber, dass Erwartungen übertroffen werden können, ist zwar keine neue Erfahrung aber dafür immer wieder eine gern genommene.
„Das war echt ein richtig schöner Abend mit euch!“ sagt Pascal bevor sie im Schlussapplaus sichtlich gerührt mit „ihren“ Jungs die Bühne verlässt und das kann ich nur zurückgeben!